Ohne … bin ich kein Mensch – eine leere Hülle nur.
Ohne … falle ich tief – kann nichts fassen.
Ohne … klingt jeder Ton nach Moll – verblasst ist Dur.
Ohne … quetschen Steine meine Brust – Geröll in Massen.
Ohne … die Sonne nicht wärmt – ihr Schein ist schwach.
Ohne … der Tag nicht geht – die Nacht sich streckt.
Ohne … zähle ich die Sekunden – liege noch lange wach.
Ohne … der Mond trostlos wacht – schlaflose Gedanken heckt.
Ohne … schmeckt alles fad – ist Süßes bitter.
Ohne … fehlt es an Leichtigkeit – stürzt ein Blatt so schwer.
Ohne … getrübte Märchenwelt – kein Feenstaub ohne Glitter.
Ohne … ausgetrocknete Wüste – weiter Strand ohne Meer.
Ohne Dich.
Das Wort und die Klauberei, der Gedanke und sein Gang, der Text und die Stelle, der Reim und das Drauf. Kurzum, das hier ist ein Versuch, quasi mein Experiment. Es wird sich zeigen müssen, was davon letztendlich übrig bleibt.
Dienstag, 25. November 2014
Sonntag, 9. November 2014
Eingemauert?
Ein Kind der Wendezeit.
Genau ein Monat nach dem Mauerfall feierten wir gemeinsam
meinen 12. Geburtstag. Ein Monat, der bereits so viel Neues mit sich brachte.
Es war eine chaotische Zeit des Um- und Aufbruches. Und wir waren mittendrin.
Ich war zu jung, um die Zusammenhänge
im Ganzen verstehen zu können.
Wiederum war ich alt genug, so dass ich heute rückblickend
meinen Eindruck wiedergegeben kann.
Auf Rügen,
in der beschaulichen Hafenstadt Saßnitz waren wir weit ab vom Schuss, so
dass uns die Vorgänge
in Berlin, Leipzig, Rostock und in den vielen weiteren Demonstrationshochburgen
verborgen blieben. Und so kam es auch, dass der 9. November für uns ein Tag, wie jeder
andere war. Erst am Morgen danach, am 10., hörte
meine Mutter im Radio auf DT64 eine Live Reportage vom Kudamm. Ihr erster
Gedanke - so früh
am Morgen schon ein fiktionales Hörspiel
im Radio - die spinnen wohl. Doch schnell begriff sie, dass sie da im Radio die
Gegenwart, und aus heutiger Sicht, Geschichte pur serviert bekam. Sie rief
meinen Vater zu sich und beide begannen erst gespannt zu lauschen und dann
aufgeregt zu diskutieren. Jetzt wurden wir, meine zwei Jahre jüngere Schwester und ich
aufmerksam. Es war irgendetwas passiert. Und ab da änderte sich alles.
Die Schulen halb leer. Betriebe unterbesetzt. Niemand hatte einen
Plan. Und schon kehrten die Ersten aus dem anderen Deutschland wieder heim.
Warst Du wirklich drüben?
Wie war es da? Haste was mitgebracht? Irgendwann sind wir dann auch in den
Westen gefahren. Knapp 3 Wochen später.
Nach Lübeck.
Einfach mal gucken. Überwältigend war das. Eine
Reizüberflutung für uns Kinder und für meine Eltern eine
Menge Unsicherheit gepaart mit Neugier.
Wie schon erwähnt,
Rügen war weit weg
vom Rummel. Daher kannten wir Inselkinder auch kein Westfernsehen. Den ersten
Kontakt mit westlichen Medien hatte ich knapp ein Jahr zuvor, als wir meine
Tante in Berlin besuchten. Die hatte unzählige,
mir nicht bekannte Sender in ihrer Glotze zur freien Auswahl. Ein echter
Kulturschock für
mich. Bis dato war das Fernsehen nicht wirklich eine Option. Wunschbriefkasten,
Fernsehballett oder Sandmann? Das ging mir am Allerwertesten vorbei. Aber diese
unbekannte Sendervielfalt und ins besondere dieser eine Film - Planet der Affen
- ließen mich,
wieder daheim in Saßnitz, lange nicht los. Was habe ich an
der Antenne rumgebastelt und die Senderfrequenzen hoch und runter durchgesucht.
Immer in dem Bewusstsein - das ist irgendwie nicht richtig. Hinterfragt hatte
ich das Ganze nicht wirklich. Und die Zeit verging und ich verlor das Interesse
an der fernen Fernsehlandschaft wieder.
Wir Kinder der Insel langweilten uns deshalb nicht. Wir hatten
die Ostsee vor der Tür
oder waren in Wald und Flur unterwegs. Irgendetwas gab es immer zu tun. Die
Modelleisenbahn AG in der Schule. Bei Oma Schallplatten lauschen und dabei mit
Buntstiften der Kreativität
freien Lauf lassen. Mit Opa in der Garage rumwerkeln. Oder mit den Kumpels auf
unseren Fahrrädern
durch die Weltgeschichte rasen. Es gab genug Kurzweil für uns. Rügen
war für mich ein
wahr gewordener Traum.
Auch noch nach der Wende. Das Leben ging natürlich weiter. Anfänglich weniger geordnet
und dennoch voran. Neues Schulsystem. Gymnasium. Neues Auto. Golf
"Madison". Und die weite Welt. Frankreich. England. Italien. Und, und,
und. Mit meinen Eltern entdeckten wir nun das restliche Europa. Polen und
Tschechei kannten wir ja zur Genüge.
Und die Zeit ging weiter ins Land. Von Rügen
nach Rostock. Schulende. Ausbildung. Bundeswehr. Job und dann die eigene
Familie. Und nun?!
Zusammen mit meiner 10jährigen
Tochter sitze ich gelangweilt vor der Glotze. Tausende bunte Kanäle und nur Mist. Und
dann bleibe ich bei diesem einen Sender hängen.
25 Jahre Mauerfall. Die Bilder aus Berlin, die mir heute mehr als damals eine Gänsehaut und einen Knoten
im Hals verschaffen. Und dann fragt mich meine Lütte.
Papa, du hast doch auch in der DDR gelebt. Wie war es da? Ich überlege kurz und sage
dann entschlossen. Es war eine andere Zeit. Aber es war auch wunderschön. Sie entgegnet mir.
Aber die im Fernsehen sagen, dass das alles nicht gut war in der DDR. Das mag
sein, entgegne ich ihr. Ich war damals noch ein Kind. Mir ging es gut. Unserer
Familie ging es gut. Es gab viele Dinge, die wir nicht hatten und vielleicht
auch deshalb nicht vermissten. Es ist mir nicht möglich
ihr im Detail zu erklären,
was mich mit der DDR und auch mit der Wendezeit so verband.
Stunden später,
als ich das hier zu Papier gebracht hatte, war mir dann klar, warum ich alles
so und nicht anders hätte
noch einmal erleben wollen.
Es waren nicht die DDR, die verwirrten Wendezeiten und auch nicht das Danach in
einem vereinten Deutschland, was mich in meinen Erinnerungen fesselte. Nein. Es
ist die Familie, die vielen lieben Menschen mit denen ich diese Zeiten erleben
durfte, die mich prägten
und zu dem machten, der ich heute bin. Viele dieser Menschen sind heute nicht
mehr da. Aber damals waren sie es und darum möchte
ich nichts von alledem missen. Ich hoffe meine Tochter wird eines Tages
verstehen, was ich damit meine.
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