7:30
Uhr am Fährbahnhof Saßnitz. In der Luft liegt der Geruch von nassem
Asphalt. Den gibt es so nur im Sommer. Wo wenige Augenblicke zuvor noch
Regen die Pfützen füllte, hat die Sonne kurzum alles wieder aufgesaugt.
Einen mittelschweren, weiß-grauen Koffer in der einen und die Hand des
kleinen Jungen in der anderen - Vater und Sohn biegen auf das
Bahnhofsrondell ein.
Dort angekommen erspähen sie
schon eine kleine Gruppe Wartender. Der Mann stoppt. Setzt den Koffer
ab und beugt sich zu seinem Bub herunter. Ich wünsche Dir viel Spaß und
mach keine Dummheiten. Mama und Papa haben dich lieb. Dann zettelt er
noch einen Zehner aus seinem Jackett und drückt es dem Jungen in die
Hand. Gib nicht alles für Süßigkeiten aus. Er fährt dem Jungen durch das
Sonnengebleichte Haar.
Ein betagter gelber Bus biegt vor dem Bahnhof
ein. Alles andere als beflügelt neigt sich der Ikarus seinen Gästen zu
als diese ihre Koffer in seinem Bauch verstauen. Allmählich löst sich
die bunte Menschentraube auf. Der Bus setzt sich in Bewegung. Der kleine
Junge kniet auf der letzten Sitzreihe und drückt seine Nase an die
Fensterscheibe. Sein Vater winkt ihm noch nach, doch schon ist der Bus
um die Ecke verschwunden. Das Gefühl des Abschiedes will sich mit der
Vorfreude und Abenteuerlust nicht einigen. Der Gefühlseintopf ist
Neuland für den Kleinen.
Das ist nun schon Jahrzehnte her. Den
Fährbahnhof gibt es so nicht mehr. Aber noch heute bringen Eltern ihre
Kinder auf dem Weg zum Ferienlager zum Bus. Und heute bin ich es, der
seiner Kleinen den Zehner zusteckt. Und erst heute weiß ich, dass ich
damals nicht der einzige mit dem blöden Gefühl im Magen war.