Freitag, 29. Juli 2022

Wenn Dir das Leben sagt, wo es lang geht.


Vorweg. Ich bin leider kein großer Freund von Zeitformen. All das hier ist bereits passiert. Trotzdem hab ich hier und da aktiv so geschrieben, als würde das gerade im Moment geschehen. Hab das Gefühl, das macht das irgendwie greifbarer. Als wäre man live dabei. Viel Spaß beim Lesen.


Vier Wochen Urlaub. Herrlich. Klingt wie ein Traum oder? So viel „arbeitsfreie Zeit“ am Stück gab es zuletzt als Kind für mich. Sommerferien nannte sich das. Und wenn Zweidrittel Deines Jahresurlaubs für Etwas draufgehen, dann hast Du Deine Gründe dafür und selbstverständlich auch eine entsprechende Erwartungshaltung an „das Ganze“.


Also warum nun? 


Meine „lütte“ Große hat ihr ABI errungen. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Und der soll nun mit einem ganzem Jahr auf Kreta starten. Also nicht nur gammeln, sonnen und im Pool planschen. Nein, nein. Auch das Schaffen steht auf ihrem Plan. Ähnlich dem „Travel and Work“ Konzept. Nur eben weniger Travel, mehr in den Grenzen einer Insel.


Dazu darf/muss erwähnt werden: Auf Kreta wirst Du alles andere als reich werden. Und vor allem kommt Dir kein Job entgegen geflogen. Das heißt, Du musst Dich früh kümmern. Das haben meine Tochter und ihr deutsch-griechisches Netzwerk auch gut hinbekommen. Ohne Unterstützung aus der heimatlichen Ferne wird’s trotzdem nicht funktionieren. Dafür sind wir aber auch da. Aber was auch noch sehr wichtig ist. 


Das Töchterchen muss dann aber auch mobil sein, dort Vorort. Weil Wohn- und Arbeitsplätze leider nicht zu Fuß oder nicht mit dem eher sparsam gesätem Öffentlichen Verkehr zu bestreiten sind. Deshalb wurde schon zum Jahresanfang ein Auto gesucht und auch gefunden. Und weil zwischen Kreta und daheim knapp 3.000 Kilometer liegen, sollte es eine „gute“ Marke sein. Eine, der man vertraut. Trotzdem oder vielleicht auch deswegen wurde vorweg noch einmal ein kompletter Check gefahren. Knapp zwei Wochen vor Ultimo musste dann auch noch der Anlasser erneuert werden, da dieser seinen Dienst quittierte. 


Unvorstellbar, wenn das auf Kreta passiert wäre. Womöglich, wenn wir wieder heimwärts geflogen wären und das Töchterchen mehr oder weniger alleine auf der Insel mit kaputtem Auto gestanden hätte. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass zum Traumurlaub auch noch der Fakt hinzukommt, dass fast am Ende der dritten Woche das Kind, mein Töchterchen, endlich 18 Jahre alt wird? Also auch erst dann ganz alleine Auto fahren darf. Man wird mir daher meine Nervosität in Sachen nicht funktionierender Dinge, bei denen ich aus der Ferne nur schwer unterstützen kann, nachempfinden.


Wie kommt’s nach Kreta, das Wägelchen? 


Mit meinem besten Kumpel wurde ähnlich früh der Transfer nach Kreta geplant und dann auch durchgeführt. Start in Rostock und dann quer durch Deutschland, Tschechien hin zur Slowakei. Bratislava war unser erster Zwischenstopp. Am nächsten Tag ging’s dann weiter. Über Ungarn, Serbien, rein nach Nordmazedonien. In Skopje, unserem zweiten Zwischenstopp und exakt in der Zielstraße ging an einer Ampel der Wagen, dank der Start-Stop-Funktion erst aus und dann leider nicht wieder an. Mit genau diesen Symptomen hatten wir ihn keine vier Wochen zuvor in Deutschland mit Anlasserversagen diagnostizieren lassen. 


Ein kurzes Nervenversagen später und mit Hilfe meiner Frau am heimischen Telefon, wurde erst die Versicherung kontaktiert, die dann wiederum den örtlichen „Abschleppharry“ in Skopje beauftragte uns huckezupacken und zum lokalem Auto-Service zu schleppen. Danach hat uns der gute Mann noch zu unserem Appartement gefahren. Kurze Nacht. Viele Dinge im Kopf.


Am nächsten Tag ging’s dann per Taxe direkt zur Werkstatt. Wir hatten ja einen Zeitplan im Hinterkopf und in Piräus wartete am Abend die Autofähre auf uns. In der Werkstatt ging es zäh voran. Irgendwann hatte man sich unserer Diagnose angeschlossen. Allerdings startete der Wagen wieder. Ein neuer Anlasser braucht knapp eine Woche bis er in Skopje verbaut werden kann. Viele Ideen zerpflückten unsere Gedankengänge. Bleiben, aufteilen, weiterfahren auf „Teufel komm raus“? Ich hab mich dann von meinem Freund zum Weiterfahren überreden lassen. 


Tom, nicht nur dafür bin ich Dir wahnsinnig dankbar. 


Allerdings war der Zeitplan im Ar***. Noch in Skopje hab ich die Fährfahrt um einen Tag nach hinten verlegt bekommen. Und weiter ging’s. Raus aus Nordmazedonien und rein nach Griechenland. Endlich wieder Europäische Union. Das war auch so ein Ding in Nordmazedonien. Nix Union. Nix Abkommen. Nix Roaming (50 Minuten Telefonieren, 50 MB Datenvolumen, 50 SMS). Das ist absolut nix. Und wer bitte schreibt heute noch SMSen? Im europäischen Griechenland hingegen stieg das Sicherheitsgefühl in uns förmlich bzw. spürbar an.


Irgendwo auf der Strecke mussten wir noch ein weiteres Mal tanken. Wir haben auf der kompletten Strecke etliche Euros in den Tank gepumpt. Die aktuelle Challenge hieß nun aber: „Tanken mit laufenden Motor“. Was in Deutschland gar unmöglich scheint, lief hier wie am Schnürchen. Hab mich aber trotzdem wie ein Fluchtwagenfahrer gefühlt, der darauf wartet, dass seine Mitkriminellen alsbald mit Taschen voll Kohle aus der Bank gestürmt kommen.


Da auch das super geklappt hat und die Straßen zwischen den unzähligen Mautstellen mehr als frei zu sein schienen, keimte eine neue Idee in unseren Köpfen auf. Der Wagen läuft und es wäre doch ideal mit laufenden Motor die ursprünglich geplante Fähre zu bekommen. Aber wir haben doch schon unwiderruflich umgebucht! Lass es uns zumindest versuchen. Ein „Ups, falsches Datum“ hätten wir ansonsten auch noch auf Lager. Zum Glück findet sich recht schnell eine griechische Polofahrerin, die offensichtlich unser Ziel teilte und in Richtung Piräus ballerte. Und wir quasi in ihrem Windschatten mit. Kurz vor Piräus wurde sie allerdings von der Polizei herausgezogen. Wir jedoch nicht. So viel Glück und eine Fähre in Sichtweite.


In Piräus und zwanzig Minuten vor angesetztem Auslaufen der Fähre angekommen, erreichten wir unser Gate Drei. Doch das Tor war zu. Nicht mit uns. Mein Kumpel sprang zusammen mit dem Ausdruck des ursprünglichen Tickets aus dem Auto und rannte durch eine Tür zum Checkin. Derweil übte ich mich in meiner mir zugeteilten Funktion des Fluchtwagenfahrers. Mit laufendem Motor natürlich. Eine gefühlte Ewigkeit später, aber in Wirklichkeit nur kurz darauf, kam er mit den Tickets zurück. „Gate Sieben“ schrie er. Mit quietschenden Reifen rasten wir los und direkt hinein in einen Ministau. Nicht ohne Fluchen und innerem Wahnsinn haben wir es dann aufs Hafengelände geschafft. Und wenige Augenblicke später standen wir dann als letztes Auto auf der Autofähre nach Kreta. Was für ein Tag!


Unsere gebuchte Kabine war leider bereits wieder weiter vermietet worden und war somit für uns nicht mehr zu haben. Wir haben dann Sitze zugewiesen bekommen. Ähnlich wie an Bord in einem Flugzeug. Egal. Wir und der Wagen sind an Bord. Eine Nacht lang wird die Fähre bis Heraklion und damit bis zur Zielinsel benötigen. Wenn nur noch das Auto früh anspringt, dann kann die bereits recherchierte Werkstatt direkt angesteuert werden. 


Noch vor Sonnenaufgang hält mich nix mehr in meinem Sitz. Müdigkeit lässt mich an der Reling stehend, frieren. Mein Freund ist mit zwei Tassen Instantkaffee zur Stelle. Eklig schmeckend, aber wärmend kippen wir das Zeug in uns hinein. Zusammen stehen wir da und blicken in den Sonnenaufgang und dann irgendwann in die sich immer detailreicher abzeichnende Silhouette des Hafens. 


Wir sitzen im Wagen. Mein Kumpel und Glücksbringer auf diesem Roadtrip drückt den Startknopf. Der Motor startet. Und wieder fällt ein mächtiger Stein vom Herzen. 

Keine 30 Minuten später befahren wir die Autowerkstatt, erklären uns und unser Problem mit dem Wagen. Nicht viel später holt uns eine Freundin mit Auto von dort ab und bringt uns zur knapp 70 Minuten entfernten Ferienwohnung. Soweit, so gut. Sonntags in Rostock gestartet. Am Mittwoch, keine vier Tage später, mit blauem Auge, am Ziel angelangt. Der Urlaub kann starten. Dreieinhalb Wochen liegen noch vor uns, vor mir. 


Zum Ende der Woche hin sind Frau und Töchterchen von meinem Freund per Flugzeug eingetrudelt. Eine Woche drauf sollte dann der Rest der Bagage inklusive meiner Frau mit einem Flieger eintreffen. Da wir davon ausgingen ein Auto zur Verfügung zu haben, musste nun noch ein weiteres Mietauto ran. Was soll’s? Irgendwie sollte es ja ein Traumurlaub werden. 


Die Woche bis zur Landung meiner Holden hab ich mich also ausschließlich meinem Freund und seiner kleinen Familie gewidmet bzw. ich wurde liebevoll geduldet. Wir haben die Insel erkundet. Ostküste und alternativ die um vieles stürmischere Südküste bereist. Konnten weder Feuer noch Rauchsäulen von Waldbränden erspähen, von denen man uns aus der Heimat her befragte. Sind mit viel Spaß Jetski gefahren und haben zwischendurch immer mal wieder Rücksprache mit der Werkstatt gehalten. 


Der Stand dort Vorort: Anlasser blockiert, eventuell aufgrund einer zu schwachen Autobatterie. Ein neuer Anlasser braucht 10 Tage aus Deutschland. Die haben wir zum Glück. Und der Austausch läuft komplett auf Gewährleistung. Das hätte noch einmal ordentlich ins Portmonee rein geknallt. Eine Frage allerdings bleibt. Warum hat man die schwache Batterie nicht in Deutschland erkannt. 


Endlich war’s Freitag. Hab für mich beschlossen, nie wieder so lange ohne meine Frau an meiner Seite leben zu wollen. Bin nur ein halber Mensch ohne sie. Und da war es doch eine Freude auch wenn mit ordentlich Verspätung sie in die meinen Arme schließen zu können. Zusammen mit Ihrer Begleitung, beides Freunde der Familie, fuhren wir zurück in unseren Ferienort. 


Meine Frau war leicht angeschlagen und noch recht geschafft von den vorangegangen Reisestrapazen. Der kommende Tag verlief daher recht ruhig. Pool, Strand, ne Mütze voll Schlaf und am Abend dann hab ich meiner Liebsten einen Coronatest machen lassen. Sie hatte nach zweieinhalb Jahren gemeinsamer und erfolgreicher Abwehr sich kurz vor ihrem Urlaub angesteckt. Und während nun die Furcht umging, dass sich ihre Mitteisenden auch angesteckt hatten, war ich ja auch noch da. Einen Tag später wars dann bei mir soweit. Einmal positiv getestet. Die anderen beiden wurden glücklicherweise verschont. 


Und jetzt lagen wir da. Im Bett. In dem angedachten Urlaub unserer Träume. Draußen ballerte die Sonne und wir quälten uns durch die selbstauferlegte Quarantäne. Und das mit dem Wissen, an dem 18. Geburtstag unseres einzigen Kindes nicht teilnehmen zu dürfen. Das ist hart. Sehr hart. 


Ein Lichtblick. Die Werkstatt hat Vollzug gemeldet. Und da haben meine Frau und ich kurzerhand in die mobile Quarantäne gewechselt. Eine Stunde hin. Auto eingesackt und eine Stunde zurück in die feste Quarantäne. Was für ein Lichtblick oder? Wenn wir nicht anderthalb Quarantänetage später nicht die WhatsApp bekommen hätten … das Auto springt nicht mehr an. Ich war kurz vor dem Heuelkrampf. 


Des Töchterchens Freundin hat sie zur Arbeit gebracht und dann war’s um die nächste Anlasserblockierung geschehen. Was blieb uns anderes übrig. Wieder rein in die mobile Quarantäne. Hin zum Auto. Nach einer Dreiviertelstunde sprang der Wagen dann plötzlich wieder an. Darum beschloss die Elternfraktion eine Direkteinlieferung zurück in die Werkstatt. Und da steht er nun und wird auf Herz und Nieren getestet. Zum x-ten Mal. Mittlerweile hab ich so ziemlich jede deutsche Forumseite zum Wagen durchstöbert und bis auf ein paar Probleme mit der Kabellage im Zusammenhang mit dem Anlasser nichts finden können. 


Mittlerweile nagt eine Frage an und in mir und sie wird immer lauter. Warum wir? Was haben wir getan? Es sollte doch ein extra langer Urlaub der Superlative werden. Kein ewiges Kopfzerbrechen, was mit dem Auto ist und was mit ihm sein wird. Kein ewiges Hin- und Hergefahre zwischen Werkstatt und Urlaubsort. Kein Scheiß-Coronavirus, was einem den Rest an Möglichkeiten nimmt. Ich hab leider keine Antwort drauf. Vielleicht hab ich eine in ein paar Tagen, Wochen. Oder nie.


Eins weiß ich definitiv. Ich brauche Urlaub und zwar dringend.

Donnerstag, 17. Januar 2019

Mord im Kaufhaus.

Kleiner Auszug aus dem blutigem Anzugskauf heute Abend.

In naher Zukunft wird geheiratet. Nein, nicht ich schon wieder. Sehr gute Freunde von uns. Das wiederum macht es notwendig, dass unbedingt ein nigelnagelneuer Anzug hermuss. Natürlich noch heute. Wann auch sonst? Kurzum, die Liebste von Arbeit abgeholt und fix um die Ecke an die nächstmögliche Klamottenrampe gefegt. Piep & Beklopptenburg heißt die Stoffbude. Rinn, hoch in die 2 Etagen und ab in die Jackett- und/oder Hosenabteilung. 

Ein schnittiger (Schrägstrich) stylischer Verkäufertyp, der offensichtlich aus beruflichen Gründen ganztägig im Anzug rumlaufen muss, scannt mich mit geschultem Blick. „Einmal ein Anzug in Fett bitte und bitte nicht in Blau. Blau tragen sie jetzt alle. Und ich bin nicht alle.“ schnalz ich ihm an seine fein gestriegelte Föhnfrisur. Das erste gereichte Jackett passt. Der Mann ist gut. Okay. Und nun noch eine Hose.

Doch was ist das? Quer durch den Laden schlängelt sich eine feuerrote Blutspur. Meine Augen versuchen den Ursprung des Massakers zu erspähen. Die Spur kam aus Richtung Rolltreppe. Windete sich um ein paar Kleiderständer und endete ... und endete ... und endete genau unter dem schwarzen Einkaufsbeutel meiner Frau.

Oh Gott, sie hat doch wohl nicht Arbeit mit nach Hause genommen?! Den Kopf eines schwierigen Kunden? Oder eines aufmüpfigen Kollegen? Wohlmöglich hat sie ihren Chef ...

„Scheiße ... meine Himbeeren tauen auf.“ jauchzt sie blass dreinblickend. Hat sie doch während ihrer Mittagspause tiefgefrorene Himbeeren gekauft, die natürlich noch am selben Abend verwertet werden sollen. Mit dem Spontanauftau hat se aber nicht gerechnet. Nun denn.

Es zeigte sich, dass Mr. Verkäufer auch immer ein paar Plastiktütchen hinterm Ladentisch parat hat. Meine Holde hat sich dann noch direkt mit den guten Tempotaschentüchern als Tatortreiniger vertickert. Schon verrückt so ein Shoppingtripp.

Ach ja, und einen kompletten Anzug haben wir dann auch noch käuflich erworben. Muss nur noch etwas eingekürzt werden. Hauptsache es fließt dabei kein Blut.

Mittwoch, 20. Dezember 2017

Ende 2017

Über das Phänomen der Vorweihnachtszeit, über einen Anruf und über den Abschied für immer.

Zurückblickend sind die letzten Monate ... nein, ist das letzte Jahr, wie im Fluge vergangen. Ach was rede ich? Jahr um Jahr scheint die Zeit schneller davon zu rasen. Kaum hat man sich an die aktuelle Schreibweise des Datums gewöhnt, ist diese wieder hinfällig. Und wie eh und je endet so ein Flitzejahr mit der Vorweihnachtszeit. Und meine Vorweihnachtsroutine beginnt.

Ende November starten meine beiden Frauen, mit der spontanen Idee und deren direkten Umsetzung, binnen von Minuten, die Wohnung in ein Meer von Weihnachtsmannfiguren zu tauchen. Anderthalb Wochen später, so um meinem Geburtstag herum, wird dieses Bild dann mit einem Weihnachtsbaum komplettiert. Das ist dann mein Job. Und der ist in diesem Jahr leider ausgeblieben. Zeitmangel, Bequemlichkeit und die Tatsache, dass wir an Weihnachten an sich gar nicht daheim verweilen werden, hat die Weihnachtsbaumkaufundschmückaktion hinfällig gemacht. Mein Problem? Weihnachten und die damit einhergehende Stimmung wollen sich einfach nicht einstellen. Da hilft auch nicht die bunt zusammengewürfelte Playlist an entsprechendem Liedgut weiter, welche auf Arbeit, im Auto und daheim in der Endlosschleife dudelt. Nix. Kein Herzerwärmendes Miteinander. Kein Reflektieren des scheidenden Jahres. Kein "ich freue mich drauf". Und ich will es doch unbedingt. Was auch immer das nun ist.

Und dann kam dieser Anruf. Einer der Unseren ist unerwartet nach schwieriger OP, Koma und noch im Krankenhaus verstorben. Und plötzlich ist alles belanglos. Absurd scheint das eben noch ersehnte, nicht greifbare Weihnachtsding nunmehr null und nichtig geworden zu sein. Abrupt bleibt die Zeit stehen. Für ihn, für meine Familie, für mich.

Gestern war die Beisetzung. Viele Menschen waren gekommen. Viele Gesichter, in die ich lange nicht mehr sah. Wiederum viele Menschen, die ich nicht kannte und wohl auch nie kennenlernen würde. Einmal mehr wurde mir bewusst, dass ich auch ihn viel zu wenig kannte. Dieser Mensch war ein Teil meiner, einer großen Familie und doch war er weit, weit weg von meinem Leben und meinem Alltag. Und nun all diese Menschen zu sehen, die sich zusammengefunden hatten, um ihm ein letztes Mal "Machs gut" zu sagen, dass tat verdammt nochmal weh. Und ich schämte mich. Nicht für die Tränen. Ich schämte mich dafür, dass ich viel zu wenig Lebenszeit mit ihm teilte.

Sich einmal weniger den Routinen ergeben. Weniger in unnützen Schubladen wühlen. Dafür einmal mehr sein Umfeld wahrnehmen. Die eigene Familie und auch darüber hinaus. Ausbrechen aus dem Trott, dem gewohntem Etwas. Es ist so simpel und an und für sich gar nicht schwer. Während wir irgendwelchen Schemata folgen oder gar nachhetzen, verlieren wir den Sinn für das Wesentliche, für das Wir in uns. Der Rest kommt dann von ganz alleine. Also auch das Weihnachtliche, das Besinnliche und all die anderen ersehnten Stimmungen, nach denen wir uns so verzerren.

Machs gut Wolle und danke dafür, dass du ein Teil meiner Familie warst und es auch immer bleiben wirst.

Mittwoch, 27. September 2017

Nur einen Wunsch frei?

Noch in diesem Jahr reiße ich die magische Vierzig. Ganz ehrlich, so magisch finde ich die gar nicht. Wer mich halbwegs gut kennt und meine Gegenwart mitunter auch alltäglich ertragen muss/darf, der weiß, dass ich mir aus meinem Geburtstag nichts mache. Gar nichts. Das war nicht immer so. Es ist über die Jahre gewachsen. Quasi „Erkenntnis im Alter“. 😋
Okay, ich versuch mich mal zu erklären.
Partys feiern, sich auch einmal gehen lassen, frei mit der Familie und den Freunden jeden einzelnen Augenblick genießen, das kann ich gut. Vielmehr noch - ich liebe es. Und Gründe zum Feiern finden sich bekanntlich zur Genüge. Hier ein paar Beispiele: Der erste Wackelzahn, Pfingsten in Sabel, Yankee Duftkerzen, unerwartete Steuerrückzahlungen, das An- und Abgrillen (meistens an ein und demselben Tag), lang ersehnte Projektabschlüsse, Entrecote im Angebot, zu kurze Röcke, standhafte Reissäcke in China, Filmklassiker mit Bud Spencer und Terence Hill, leere und somit freie Straßen, feuchtfröhliche Firmenveranstaltungen, Fynn Kliemann auf YouTube, die jährliche Herrentagstour, Stracciatella Eis, Elternabende in der Schule, der Typ mit dem Laubbläser, wahnwitzige Kommunalpolitik, schlagfertige Retourkutschen meiner Tochter, die ersten Dritten und dazu das passende Wasserglas auf dem Nachttischchen und, und, und … .
Und natürlich liebe ich es auch im Mittelpunkt zu stehen. Ich bin ein Klassenclown. Das kann und will ich nicht leugnen. Dazu stehe ich auch. Rumalbern, klugscheißen, fachsimpeln, labertieren, frech und auch mal obszön sein – all das bin ich. So kennt man mich.
Für meinen Geburtstag kann ich jedoch nichts. Schließlich liegt es nun mal in der Natur zu altern. Und dass jederzeit. Jeden lieben langen Tag, jede einzelne Stunde, Minute, Sekunde, jeden Augenblick. Geburtstag haben ist demnach keine Leistung. Und darum wünsche ich mir, dass, wenn dieser eine Tag im Jahr gekommen ist, wir alle einfach so tun, als wäre es ein ganz normaler Tag. Und wer dann doch unbedingt muss, der darf meiner Mutsch, meiner Frau, meiner Lütten und meinen Freunden und Kollegen zu diesem Tag gratulieren. Dazu, dass sie es mit mir so lange ausgehalten haben.
Genau das wünsche ich mir.
[Nachtrag: Gefeiert wird natürlich trotzdem. Irgendwann später dann. Versprochen.]

Sonntag, 11. Juni 2017

Ohne Ausreden

Ein Kerl wie ein Baum, sagt man. Grau im Ansatz, aber noch keine 40. Es sind angenehme 26 Grad an diesem Sommerabend und es pieselt, regnet auf ihn herab. Ihm ist es egal. In der Hand hält er einen Plastikbecher voll mit frisch gezapften Bier. Und so steht er nun da. Mit offenem Mund. In dieser riesigen Arena. Ihm wird schlagartig klar, dass er auf diesen Moment irgendwie 25 Jahre gewartet hat. Es sollte nicht früher sein. Keine Zeit, zu weit weg, gerade keine Kohle. Gründe! Ausreden? Melancholie will sich breit machen, doch dann setzt der erste Ton ein. Gänsehaut, wie er sie lange nicht mehr gespürt hat. Jede Faser, jede Zelle, jede Schuppe seines Körpers scheint zu brennen.

„Going Backwards“ und er ist mehr als nur dabei. Seine Kindheit, seine Jugend, seine Erinnerungen – der Beat, der Sound, er spürt die Musik und seine Gedanken gehen rückwärts.

23 Uhr. Stunden später. Der letzte Song halt noch nach. Ende, aus, es ist vorbei. Und es fühlt sich direkt so surreal, so unwirklich an. Er weiß, dass es keine weiteren 25 Jahre des Wartens geben wird. Alt sind sie geworden. Ewig wird es nicht so weitergehen. Die kommende Tour wird anvisiert. Definitiv und ohne Ausreden.

Mittwoch, 10. Mai 2017

Hate(n) like the hazelnuts ...

Facebook, Twitter, Instagram und Co.,
News, Stories, viel Bling-bling und Show.
Für mich sind diese sozialen Medien mittlerweile genau so wichtig, wie das täglich Brot. Weil schnell zu erfassen, nach meinen Interessen filterbar und durchaus auch mal ganz fix referenzierbar.
Ich bin kein Kind der ersten Stunde, aber schon so lange dabei, dass ich die verschiedensten Trends und Entwicklungen in den Netzwerken miterlebt habe. Und schon ziemlich lange und mit zunehmender Intensität stelle ich fest, dass der Volkssport, das Haten [englisch - hassen] ungeahnte Dimensionen angenommen hat.
Unsagbar viele Menschen, die früher noch versteckt hinter Pseudonymen durch die Gegend pöbelten, scheuen jetzt nicht mal mehr davor zurück unter ihrem Klarnamen alles und jeden im Netz zu deformieren. Ich frage mich schon seit langem, woher diese Unart und deren Härte herrührt.
Bitte nicht falsch verstehen. Eine Meinung zu haben ist selbstverständlich wichtig und sie zu vertreten ist etwas durchaus Gutes. Aber sie sollte mit Worten und Inhalten ausformuliert sein, die man sich auch selbst gefallen lassen möchte.
Stumpfsinniges Gepöbel, Beleidigungen, die weit unter die Gürtellinie gehen ... haben denn so viele Menschen da draußen keine gute Schule genossen?
Mich ekelt das an.
Ja klar, auch ich bin nicht immer frei von Kritik und auch mal dem einem oder anderem barschen Wort, aber beleidigen, dass muss nun wirklich nicht sein.
Das hab ich euch mitteilen wollen, weil mir das schon lange unter den Fingernägeln brennt. Und nun habt euch alle liebt oder argumentiert mit konstruktiver Kritik.
Danke 

Donnerstag, 14. Juli 2016

Das feine Netz

Die spinnt doch total. So ein verrücktes Vieh. Ich werd noch ganz kirre. Du fragst dich, von wem ich da rede? Ach so, ja ... na von der kleinen Spinne, die irgendwo in meinem Motorrad wohnt.

Jeden Tag, wenn ich zu meinem motorisierten Untersatz komme, hat diese kleine Spinne ein süßes kleines Netz an meinen Lenker dran gehäkelt. Jedes Mal denke ich dann: "Mensch Spinne, strick deine Fäden doch woanders. An dem großen Ast vom Apfelbaum gleich gegenüber zum Beispiel oder dort drüben in der Hecke." Und ja, jeden Tag zerstöre ich ihr Nachtwerk. Und jeden Tag fällt es mir ein wenig schwerer ihr Netz wieder aufs Neue einzureißen. Es gehört einfach nicht dort hin. 

Und heute? Früh hatte ich ihr Netzwerk entfernt und dann ... Stunden später, ich kam gerade von der Arbeit, um nach Hause zu cruisen und staunte nicht schlecht. Jetzt hatte die kleine Spinne neben ihrer tagtäglichen Nachtschicht auch noch eine zweite Tagschicht eingelegt. "Ich gebe mich geschlagen." hab ich ihr gesagt. Zusammen mit der kleinen Spinne und ihrem kleinen, feinen Netz an meinem Lenker, ging es dann nach Hause.

Aber nur dieses eine Netzchen. Mehr is nich drin. Du kleine verrückte Spinne.